Nutzung des neuen, selbstgewählten Namens vor der offiziellen Namensänderung nach TSG oder §45b PStG - VDGE e.V. (2024)

Für einen Menschen mit Variante der Geschlechtsentwicklung (landläufig Transsexualität), ist die nach außen hin sichtbare Identität, das aller Wichtigste. Vor allem das Pronomen und der neue, selbst gewählte Name, sind für ein Kind oder Jugendlichen immens wichtig und das Interesse daran, sowie der Wille, diese zu akzeptieren und zu benutzen, das größte Zeichen von Liebe und Unterstützung für sie*ihn, das ich ihr*ihm geben kann.

Da ist es nicht verwunderlich, dass eigentlich beinahe alle Menschen mit Geschlechtsinkongruenz (nach WHO ICD11) sehr viel Wert darauf legen, dass der neue Name auch schon vor der eigentlichen Namensänderung nach Transsexuellengesetz oder nach § 45 b PStG, schon akzeptiert und benutzt werden kann.

Aber kann man das denn?

Man stelle sich vor: Jemand besorgt sich den sogenannten Ergänzungsausweis der dgti e.V. und lässt damit seine Krankenkassenkarte bei seiner Krankenkasse ändern, bevor die eigentliche Namensänderung rechtskräftig ist.Das geht. Viele Krankenkassen ermöglichen dies inzwischen.

Nun wird dieser jemand aber auf einmal krank und bekommt von seinem Arzt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Krankmeldung) auf eben diesen neuen, noch nicht rechtlichen Namen ausgestellt.

Der Arbeitgeber verweigert die Annahme dieser Bescheinigung mit der Begründung, dass der Name falsch sei und die Bescheinigung damit nicht rechtsgültig.

Aber stimmt das? Ist das so?

Nein, das stimmt nicht, das ist nicht so. Natürlich ist diese Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gültig und rechtlich absolut in Ordnung!

Es gibt für solche Fälle (meines Wissens) noch keine Urteile oder Präzedenzfälle. Trotzdem gibt es eine verbindliche Aussage eines Anwalts zu diesem Thema (von 2015), auf die wir uns stützen können und die uns hier die entsprechende Sicherheit gibt.

Die Nutzung eines selbst gewählten Namens, ohne das er rechtgültig wäre, also im Ausweis oder Geburtsurkunde stehen würde, ist gesetzlich nicht wirklich eindeutig geregelt.

Laut Gesetz gibt es nur zwei Dinge, die man mit diesem neuen, selbst gewählten Namen nicht tun darf:

  • Neue Ausweispapiere beantragen
  • Ein neues Konto unter diesem Namen eröffnen

Konkret heißt das für uns:

In allen anderen Bereichen kannst Du bereits den neuen Namen verwenden und damit z.B. auch wirksam Verträge schließen. Egal ob Kaufvertrag, Mietvertrag, Kreditvertrag, Studentenausweis oder auch andere Dokumente wie Schülerdaten oder ein Handyvertrag. Solange Dein Gegenüber, also der Vertragspartner Deine Unterschrift mit dem neuen Namen auch akzeptiert, darfst Du Deinen neuen Namen auch benutzen.

Entscheidend ist allein, dass Dein Vertragspartner Dich eindeutig identifizieren kann und die Nutzung nicht in rechtsmissbräuchlicher Absicht erfolgt. Selbst im Schriftwechsel mit Behörden kann der neue Name benutzt werden, wobei aber regelmäßig noch kein durchsetzbarer Anspruch besteht, dass die Behörde ebenfalls den neuen Namen benutzt.

Aber: Wenn dein Vertragspartner sich weigert den neuen Namen zu akzeptieren, dann hast Du keinerlei rechtliche Handhabe, dich trotzdem durchzusetzen. Du bist hier auf die Kulanz des Vertragspartners angewiesen.

Du kennst sicher das Anwaltportal „frag-einen-anwalt.de“? Dort kann man Fragen stellen und echte Anwälte beantworten diese Fragen. Wenn sie es können, tun sie das auch verbindlich, also bindend. Man kann sich dann auf diese Aussage berufen. Speziell für diesen Fall gibt es dort eine tatsächlich auch verbindliche Antwort eines Anwalts, die ich Dir hier einmal zitieren darf:

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

Grundsätzlich verbietet das Gesetz nur in 2 Bereichen die Nutzung des neuen Namens vor einer offiziellen Namensänderung: Sie können weder neue Ausweispapiere erhalten noch ein Bankkonto auf den neuen Namen eröffnen.

In Allen anderen Bereichen können Sie bereits den neuen Namen verwenden und damit z.B. auch wirksam Verträge schließen. Entscheidend ist allein, dass Ihr Vertragspartner Sie eindeutig identifizieren kann und die Nutzung nicht in rechtsmissbräuchlicher Absicht erfolgt.

Selbst im Schriftwechsel mit Behörden kann der neue Name benutzt werden, wobei aber regelmäßig noch kein durchsetzbarer Anspruch besteht, dass die Behörde ebenfalls den neuen Namen benutzt.

Da Ihre Krankenkasse anscheinend bereits die Namensänderung umgesetzt hat und die Leistungen jetzt in Bezug auf Ihren neuen Namen erfolgen, ist auch die Krankmeldung wirksam. Lassen Sie sich ggf. noch von der Krankenkasse die Identität bestätigen, wenn der Arbeitgeber sich weiterhin quer stellt. Bei der Reisekostenerstattung gilt grundsätzlich das oben Geschriebene, Sie können also auch mit dem neuen Namen unterschreiben. Allerdings sollten Sie hierbei ggf. auch die Interessen des Arbeitgebers berücksichtigen (z.B. können abweichende Namen bei der steuerlichen Prüfung zu Nachfragen führen) und überlegen, bis zur offiziellen Namensänderung noch mit Ihrem alten Name zu unterschreiben. Es sollte auch beachtet werden, dass die gesetzlichen Regelungen zum Schutz von Transsexuellen nach dem TSG grundsätzlich erst ab offizieller Namens- oder Personenstandsänderung greifen.

Konkrete Urteile sind mir zu diesem doch sehr speziellem Thema leider nicht bekannt und auch eine Durchsicht der Datenbanken war nicht erfolgreich. Ich gehe auch davon aus, dass in der Praxis vergleichbare Probleme meist außergerichtlich oder spätestens durch einen gerichtlichen Vergleich gelöst werden. Zumindest aber hat das Landesarbeitsgericht Berlin (Az. 10 Sa 57/90 u. 64/90) eine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers auch schon vor Änderung des Vornamens und vor Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit nach dem Transsexuellengesetz bejaht (dort ging es um den Anspruch auf Aushändigung von Dienstkleidung des anderen Geschlechts)

Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen.

(Quelle: frag-einen-anwalt.de)

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